Es hat sich viel getan in den vergangenen Wochen: Leider nicht zum Guten.
Wir veröffentlichen hier einen Gastbeitrag von Julian Glienke vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) Kitzingen, der die Situation gut zusammenfasst:
Liebe Freunde und Mitstreiterinnen für nachhaltige Mobilität,
in Berlin werden derzeit die Weichen für die Ampel-Koalition gestellt, und der Koalitionsvertrag enthält einige vielversprechende Formulierungen im Kapitel „Mobilität“. So will die neue Regierung „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren“, im Bahnverkehr „das Streckennetz erweitern, Strecken reaktivieren und Stilllegungen vermeiden“. Weiterhin ist eine Elektrifizierung zahlreicher Strecken, die Förderung von Nachtzügen und die Steigerung des Verkehrsanteils der Schiene im Güterverkehr von 18 auf 25% in den nächsten Jahren geplant. Für den öffentlichen Nahverkehr ist ein Ausbau- und Modernisierungspakt vorgesehen, um die Fahrgastzahlen deutlich zu steigern.
Das klingt alles gut, ob es allerdings reicht, um die Verkehrswende einzuleiten und die Klimaziele zu erreichen, ist fraglich; vieles wird sich später wohl im Zusammenspiel oder Konflikt zwischen dem FDP-Verkehrsminister Wissing und dem Grüne-Wirtschafts- und Klimaminister Habeck entscheiden. Hierzulande geht die Politik allerdings in die genau entgegengesetzte Richtung, nach dem Motto: Volle Kraft voraus – in die Vergangenheit! Der Steigerwaldbahn droht jetzt nach der Ablehnung des Antrages der Thüringer Eisenbahn, die Bahnstrecke instand zu setzen für Güter- und Touristikverkehr, das endgültige Aus. Alles hängt jetzt daran, ob die Thüringer Eisenbahn gegen den Bescheid klagt – das ist aber noch nicht sicher. Rückenwind aus der Region, z. B. in Form von Leserbriefen, kann vielleicht dazu beitragen.
Am 30.11. wurde in der Mainpost publik, dass das Bayerische Verkehrsministerium den Antrag der Thüringer Eisenbahn GmbH aus Erfurt abgewiesen hat, die Steigerwaldbahn auf eigene Rechnung für Güter- und Tourismusverkehr betriebsfähig zu machen. Wir haben in einer Pressemitteilung reagiert, in der es heißt: Die Thüringer Eisenbahn GmbH betreibt in Thüringen bereits mehrere Strecken mit 116 km Länge und besitzt ein eigenes Gleisbauunternehmen, warum sollte es da nicht auch die Steigerwaldbahn betreiben können? Offenbar wurden da – ebenso wie beim Personenverkehr – die Kriterien künstlich nach oben geschraubt. Nicht nur, dass der Freistaat sich beharrlich weigert, in die Eisenbahninfrastruktur zu investieren, obwohl hohe Fördergelder vom Bund bereitstehen und nicht abgerufen werden – nun wird auch diese private Initiative unterdrückt. (…) Heutzutage noch eine Bahnstrecke aufzugeben und abzubauen, wirkt komplett aus der Zeit gefallen, so der VCD. (…)
Dem VCD sind mehrere Unternehmen bekannt, die gerne die Steigerwaldbahn für eigene Transporte nutzen würden. Hinderungsgrund ist allerdings die Furcht vor den politischen Kräften, die den Abbau dieser Infrastruktur offenbar mit allen Mitteln durchsetzen wollen. Der Anschluss an die Bahn ist ein immer wichtiger werdender Standortfaktor für die Wirtschaft in den Landkreisen. Diese Infrastruktur zu zerstören, ist grob fahrlässig. Wir hoffen, dass die Thüringer Eisenbahn sich gegen den Bescheid wehrt und rechtliche Mittel einlegt, um die andernfalls drohende Entwidmung und den Abbau der Steigerwaldbahn zu verhindern.
Auch im ÖPNV-Ausschuss des Kitzinger Kreistages hat die BEG nun ihre Potenzialanalyse noch einmal vorgestellt und es wurde ein Beschlussvorschlag für die Kreistagssitzung am 13.12. beschlossen, der vorsieht, dass der Landkreis Kitzingen seine Reaktivierungsbemühungen für die Steigerwaldbahn einstellt (wie schon im Schweinfurter Kreistag am 4.11.) – siehe Mainpost-Bericht. In der Vorlage der Verwaltung wird wiederum das 1000er Kriterium deutlich kritisiert und letztendlich festgestellt, dass der Kreis hier an den reaktivierungsfeindlichen Vorgaben der bayerischen Staatsregierung gescheitert ist. Die Frage, inwieweit die BEG-Potenzialanalyse denn die Zukunft und den Klimaschutz berücksichtige, wurde lapidar beantwortet, man betrachte nur den Ist-Zustand.
Gleichzeitig stand der Antrag der CSU-Fraktion zur Abstimmung, eine Machbarkeitsstudie für autonom fahrende People Mover erstellen zu lassen. Dieser Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung: „Bei einer möglichen Machbarkeitsstudie von selbstfahrenden Shuttles als fahrerlose Transportfahrzeuge handelt es sich um ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt – ein solches Projekt fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Landkreises Kitzingen als Aufgabenträger des ÖPNV. Eine Finanzierung durch den Landkreis Kitzingen kann daher nicht erfolgen.“ Dies ist natürlich völlig korrekt und damit ist dieses Lieblingsprojekt von Staatssekretär Gerhard Eck bereits gescheitert (zumindest im Landkreis Kitzingen).
Von Anfang an war klar, dass es sich nur um einen taktischen Schachzug handelte, um die Beseitigung der Steigerwaldbahn voranzutreiben. So hat Herr Eck/die CSU versucht den Anschein zu erwecken, man hätte eine zukunftsweisendere Idee und Eisenbahn sei ja ein Verkehrsmittel von gestern. Immerhin ist es so gelungen im Schweinfurter Kreistag die SPD auf ihre Seite zu ziehen. Schade, dass in dieser Region offenbar viele überhaupt nicht wissen, was ÖPNV und moderner Bahnverkehr ist (und dann auf solche Luftblasen wie autonome People Mover abfahren) – andererseits aber auch kein Wunder bei dem öffentlichen Nahverkehr, der hierzulande angeboten wird.
Das sind alles schlechte Nachrichten – eine gute war allerdings die, dass man sich wenigstens im Sulzheimer Gemeinderat noch einmal mit dem Entwidmungsbeschluss befasst hat (siehe Mainpost). Dort hat Tobias Ament (Wählergemeinschaft) einen Antrag gestellt, den vor drei Jahren gefassten Beschluss zur Entwidmung der Strecke wieder zurückzunehmen, und wurde dabei von mehreren Ratsmitgliedern unterstützt. Ament befürchtet bei einer Entwidmung, dass der künftige Eigentümer, die Firma Meißner, die Strecke als „Fetzen“ verkaufen könnte, „wie, wann und an wen sie will“. Stimmen in der Bevölkerung seien laut geworden, dass die Trasse für nachkommende Generationen zerstört würde und für zukünftige Alternativkonzepte erhalten bleiben sollte. Der Antrag wurde vertagt, bis die Firma Meißner, die die Strecke gekauft hat, einen Vertrag vorgelegt hat, dass die Strecke im ganzen erhalten bleibt. (Einen solchen Vertrag gibt es meines Wissens nicht, das heißt, die Firma Meißner kann in der Tat nach der Entwidmung die Strecke mit hohen Gewinnaussichten abschnittweise verkaufen, an wen sie will.)
Wie kann man mit all dem glücklich sein? Immerhin – die Bürgermeister der Anliegergemeinden können es, sie sind zufrieden, wie es in der Mainpost-Überschrift heißt. Offenbar hat Mainpost-Redakteur Klaus Vogt sie angerufen und nach einer Stellungnahme befragt, um dann wieder einmal die bekannten Gegenargumente abdrucken zu können: „negative Auswirkungen auf das vorhandene ÖPNV-Netz“, „Lärmbelästigung und drohende Verkehrsstauungen“ etc.
Eine junge Leserin sieht das anders; sie schreibt in einem Leserbrief, das Vorhaben, die Bahn rauszureißen, sei „Betrug an der jungen Generation“: „Es wird nie wieder machbar sein, eine Strecke von dieser Länge als Bahnstrecke zu erbauen, weder finanziell noch rechtlich. Und wenn ich an die immense Ressourcenverschwendung bei Abriss und Versiegelung denke, wird mir wieder so schlecht wie mit dem Laptop im Bus. Deshalb: Wenn man mit einer Infrastruktur aufgrund seines eigenen Tellerrandes nichts anzufangen weiß, einfach mal in Ruhe lassen. Oder hat jemand schon einmal über den Rückbau einer Straße nachgedacht? Die könnte man doch sicher auch noch mal gebrauchen…“
Rückenwind aus der Region für die Thüringer Eisenbahn, damit diese den Bescheid nicht akzeptiert und dagegen klagt – das ist das einzige, was (vielleicht) noch helfen kann. In welcher Form auch immer. Hoffen wir das Beste; zu befürchten ist allerdings, dass viele erst dann aufwachen, wenn es zu spät ist. Die nächste Woche wird darüber entscheiden.
Trotz allem wünsche ich Ihnen eine gesegnete Adventszeit.
Mit freundlichen Grüßen
Julian Glienke
VCD Kitzingen