Der Landtagskandidat der Grünen für die Haßberge, Dr. Roland Baumann, bringt es auf den Punkt:
Die deutsche politische Debattenkultur dieser Tage lässt den einigermaßen neutralen Beobachter wieder einmal einigermaßen ratlos staunend zurück. Ja – eine Demokratie lebt vom Wettstreit und entwickelt sich aus Antithesen synthetisch weiter. Wohlgemerkt lebst sie allerdings vom inhaltlichen Wettstreit um die beste Lösung für ein annähernd definiertes Problem. Wird der Streit jedoch ohne inhaltlichen Wettbewerb und vorrangig dazu geführt, um politisch Handelnde zu diffamieren und abzuqualifizieren, führt er zu einer Blockade dringend notwendiger Prozesse.
Das „Weiter so“ ist die teuerste aller Optionen
Wir haben politischen Handlungsbedarf um die Energietransformation zu schaffen – in Deutschland, in Europa, weltweit. Die Klimakatastrophe lässt sich nicht abwenden, indem wir uns in kindlicher Manier die Augen zuhalten und laut ‚Lalala‘ singen. Sie wird nicht mit uns verhandeln, sie wird sich nicht verschieben oder vertrösten lassen – wie der Boandlkramer in Schauspiel vom Brandner Kaspar. Nein, sie wird uns abwürgen – Jahr für Jahr ein wenig mehr, ein wenig teurer, umso vernichtender.
Und in dieser Situation ist eine Regierung, die auch nur einigermaßen verantwortungsbewusst handeln will, gut beraten, wenn sie Reformen ersinnt, Vorschläge macht und deren Umsetzung kommuniziert. Und eine Opposition ist gut beraten, wenn sie die Vorschläge der Regierung kritisch prüft, mangelhafte Kommunikation rügt und eigene Vorschläge unterbreitet – zum Thema.
Alle politischen Kräfte stehen in der Verantwortung, oder?
Oder sie lässt wie CDU, CSU und AfD dies derzeit tun, einfach den inhaltlichen Teil ihrer Funktion links oder rechts liegen und nutzt ihre kommunikative Reichweite, um die Regierung, im vorliegenden Fall den grünen Teil der Regierung, persönlich anzugreifen, zu dämonisieren, auf pennälerhafte Weise lächerlich zu machen, um am damit leicht entfachbaren Feuerchen der öffentlichen Empörung ihr säuerliches Süppchen zu kochen.
Oder man verweigert sich jeglicher inhaltlichen Auseinandersetzung geschweige denn eigener Lösungsansätze.
Oder man streut einfach Sand in die Augen der ohnedies von den multiplen Krisen unserer Zeit erschöpften Bürgerinnen und Bürger, indem sie ihnen einredet, man könne einfach so weitermachen wie bisher. Es lief doch prima im Fossilzeitalter, oder etwa doch nicht?
Ja, man kann sich vielleicht einreden, dass alles prima lief, wenn man die Augen abermals fest zukneift und angestrengt zu vergessen sucht, dass wir in den langen Jahren unter konservativer Führung alle, aber auch wirklich alle Chancen auf eine Neuaufstellung unserer Energiestrategie verbummelt haben. Dass wir unsere gesamte Energieversorgung, das kritische Element für die Wohlfahrt einer modernen Industriegesellschaft in die erst lockenden, dann würgenden Hände von Autokraten wie Wladimir Putin gelegt haben – im blinden Vertrauen, die Dealer würden uns Abhängigen schon nicht enttäuschen oder gar über den Tisch ziehen.
Jedoch – sie tun genau das.
Zweifelhafte Geschäftspartner – oder: Wer sich mit dem Teufel ins Bett legt …
Diktatoren setzen Wirtschaftsgüter im Zweifelsfall als Waffe gegen ihre wie auch immer definierten Feinde ein.
Diese Lektion haben wir seit dem 24. Februar 2022, seit dem Angriff des russischen Despoten auf sein Nachbarland, lernen müssen. Und wen meint Wladimir P. als Feind zu identifizieren? – Uns. Unsere freiheitlichen Wohlstandsgesellschaften, unsere Art zu leben, Demokratie zu organisieren. Wir alle sind ihm und seinen Paladinen ein Dorn im Auge, diesbezüglich sollten wir uns keinen Illusionen hingeben.
Wollen wir vor diesem Hintergrund immer noch ihm und anderen Fossil-Dealern ausgeliefert sein, oder wollen wir endlich eine selbstbestimmte Energiepolitik auf dem Weg in das Zeitalter der Erneuerbaren, des Wasserstoffs in Angriff nehmen – zum Wohl einer einigermaßen lebenswerten Zukunft für unsere unmittelbaren und mittelbaren Nachfahren? Weltweit!
Wir müssen handeln – aber wir können es auch.
Wenn wir nicht komplett vernagelt sind und diese Frage mit ‚Ja‘ beantworten, müssen wir im nächsten Schritt zweierlei erkennen.
Erstens: Ja, diese Energiewende ist möglich. Wir haben die Energieträger (Die Sonne und davon sekundär abgeleitet – den Wind), wir haben das KnowHow und die Technologie, den Ertrag dieser Energieträger stabil zu ernten und zu verwerten. Wir beginnen zu begreifen, welche Speichermöglichkeiten wie funktionieren, wie wir die Stromnetze dezentraler und damit resilienter aufstellen. Und auch der beunkte Blackout nach dem Abschalten der letzten Atommeiler ist – ausgeblieben.
Zweitens: Wir – und nun kommt der herausfordernde Teil – sollten schleunigst damit aufhören, Sachen zu verbrennen. Das bedeutet: Wenn wir Klimaschutz und das Pariser Protokoll ernst nehmen und unsere Hausaufgaben für eine klimaneutrale Zukunft ab 2045 erledigen wollen, dann erscheint es sehr kontraproduktiv, ja unsinnig, bei Neuinvestitionen in die Gebäudeheizung weiterhin auf Öl- oder Gassysteme zu setzen. Ja, das hat gut funktioniert und es war bequem, ja wir sind es halt so gewöhnt und Veränderungen machen uns immer zu schaffen. Aber – es nützt nichts. Auch wenn wir die Klimanotwendigkeiten mal beiseite lassen, ist es nicht klug, eine Investition in eine Heizungsanlage mit einer Betriebsdauer von 25 Jahren auf einen Brennstoff zu stützen der in der mittleren Zukunft sehr teuer werden wird.
Zumal die Alternativen funktionieren. Die Wärmepumpe im Altbau lässt sich wirtschaftlich betreiben, ohne dass man frieren muss. Dazu mehr in einem nächsten Beitrag. Und die liberale Dauerforderung nach ‚Technologieoffenheit‘ mag berechtigt sein. Aber gerade eine liberale Partei sollte die Kräfte des Marktes wahrnehmen – und hier sind weltweit doch starke Megatrends erkennbar, etwa beim Blick auf einen sehr großen Marktteilnehmer, auf die chinesische Volkswirtschaft, die nicht nur bei der Elektromobilität Standards setzt, sondern die auch weltweit führend ist beim Einbau von … Wärmepumpen. Gedanken hierzu machen sich Claudia und Volker Quaschning in der aktuellen Folge ihres Podcasts „Das ist eine gute Frage“.
Total Costs of Ownership – oder sinnvolle und bezahlbare Vorschläge jenseits von Heizöl und Gas
In der Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes gibt die Regierung eine Richtung für die Gebäudewärmeenergie vor – nicht mehr und nicht weniger. Dies geschieht unter der Federführung des Bundesbauministeriums und es ist höchste Zeit dafür. Schließlich ist der Gebäudebestand eine maßgebliche Größe für die CO2-Ausstoß in unserem Land.
Und nein – auch wenn es sich in den Verlautbarungen der konservativen Parteien so schön schaurig anhört – es wird niemand gezwungen, sein funktionierendes Heizungssystem aus dem Keller im Altbau zu reißen. Nein, es wird kein Verbot der zumindest anteiligen Nutzung von Biomasseheizungen geben. Ja, es wird eine finanzielle Förderung bei der Umrüstung auf zukunftsfähige Systeme geben und Ja, die Grünen setzen sich dafür ein, die finanzielle Förderung bei bedürftigen Hauseigentümer:innen in Abhängigkeit von den Einkommensverhältnissen auf bis zu 80% der Investitionssumme aufzustocken.
Wir sitzen alle in einem Boot und fahren auf einen klimatischen Abgrund zu. Aber wir haben die Ruder in der Hand. Es wäre vor diesem Hintergrund besser, wenn alle mitrudern würden und wenn nicht einige im Boot sitzen und bockig die Arme verschränken, sinnlose Beleidigungsdebatten anzetteln und alles besser wissen – um sich dann bei den anderen Rudernden zu beschweren, wenn der ganze Kahn umgestürzt und abgesoffen ist.
Als führende Industrienation, als eines der reichsten Länder der Erde können wir es uns leisten – um im Bild zu bleiben, etwas stärker zu rudern als Andere, wir können ein gutes Beispiel geben, vorausgehen, Dinge evaluieren.
Und es möge mir bitte vor diesem Hintergrund niemand mit dem Mottenkistenargument kommen, dass Deutschland mit seinen 2% Treibhausgasausstoß gemessen an den weltweiten Emissionen ja eh nichts ausrichten kann, solange die großen Emittenten und so weiter. Wir sind verdammt noch eins die viertgrößte Industrienation der Welt und produzieren im weltweiten Verbund. Will heißen, dass wir einen Teil unserer derzeitigen Emissionen halt einfach ausgelagert haben und andere die ‚Drecksarbeit‘ für uns machen lassen. Und vielleicht sollten wir mal unsere Pro-Kopf-Emissionen bedenken. Und vielleicht mögen alle, die nicht müde werden, sich und anderen den beruhigenden Unfug von den nur 2% Emissionsanteil einzureden begreifen, dass CO2 in der Atmosphäre sehr wirksam und sehr, sehr langlebig ist, dass wir also den CO2-Rucksack unserer gesamten Industriegeschichte in Deutschland mit uns umhertragen beziehungsweise diesen von anderen Gesellschaften schleppen lassen, die noch weit von unseren Gesamtnettoemissionen entfernt sind.
Zielführende Vorschläge statt billigem Populismus
Und so seien alle politisch Verantwortlichen aufgerufen, auch wirklich zu arbeiten. Gerne auch alternative Lösungsansätze zu unterbreiten, auf jeden Fall aber zu handeln und zielführend aktiv zu werden, anstatt sich hinter die Fichte zu schleichen und ihr Heil in zwar wirksamem aber schalem, durchsichtigem und unanständigem Populismus zu suchen.
Und auch das sollte allen klar sein. Auch wenn man sich in der Opposition freudig und stolz auf die Schultern klopfen mag, es geschafft zu haben, mit Schein- und Nebendebatten vom Hauptproblem abzulenken – wird das alles nichts an der grundsätzlichen Problemstellung ändern – nämlich, dass wir ohne eine konsequente, beherzte und internationale Klimaschutzpolitik in allen Sektoren, von der Industrie, über die Gebäudeenergie, über den Verkehr bis hin zur Landwirtschaft eine Lebensumgebung erzeugen, für die uns unsere Kinder und Enkel dereinst verfluchen werden.
Aber – zu schaffen ist es allemal. Greifen wir also – bei allem berechtigten Meinungsstreit in der Sache – gemeinsam in die Ruder und bringen wir unser Boot auf Kurs.