In der Sitzung am 30.11.2020 beschloss der Gerolzhöfer Stadtrat mit 13:5 Stimmen die Ansiedlung eines Regionalzentrums der Firma Norma im Industriegebiet an der Alitzheimer Straße.
Die anwesenden geo-net-Mitglieder sowie die Stadträte Burkhard Wächter (CSU) und Norbert Finster (SPD) stimmten gegen die Ansiedlung.
Unserer Meinung nach sind der extrem hohe Flächenverbrauch von 11,5 Hektar und die täglich zusätzlichen 300 bis 340 LKW-Fahrten einhergehend mit vermehrter Umweltbelastung (Lärm, Abgase) nicht durch die möglicherweise erst nach Jahren zu erwartenden sechsstelligen Steuereinnahmen zu rechtfertigen. Auch werden durch die Ansiedlung, in Relation zum Flächenverbrauch gesehen, zu wenige Arbeitsplätze geschaffen. (Norma: 18 Arbeitsplätze pro ha / andere Unternehmen in Gerolzhofen: bis 143 Arbeitsplätze pro ha).
Geo-net hatte zu Beginn der Sitzung einen Antrag auf Vertagung der Entscheidung gestellt, um der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, die seit Jahrzehnten größte Einzelansiedlung ausgiebig zu diskutieren und darüber hinaus den StadträtInnen genügend Zeit zu verschaffen, umfassendere Informationen einzuholen. Dieser Antrag wurde mit 14:4 Stimmen abgelehnt. Die Öffentlichkeit war erst zwei Wochen zuvor, am 15.11.2020, über das Vorhaben informiert worden.
Die Mainpost ignorierte in ihrer Berichterstattung über die Stadtratssitzung die Erklärung des Fraktionssprechers der CSU, wonach er bis zum Schluss versucht habe, den Bürgermeister von diesem Projekt abzubringen. Er begründete seine Ablehnung damit, dass die Vorteile wie zum Beispiel die Gewerbesteuer oder Arbeitsplätze die Nachteile nicht aufwiegen würden. Seiner Meinung nach würde etwa in Folge der Automatisierung die Anzahl der Arbeitsplätze sogar abnehmen. Dies würde eine Ansiedlung mit diesem enormen Flächenverbrauch nicht rechtfertigen.
Die gleichen Überzeugungen vertraten zwei weitere CSU-Räte der CSU, die der Fraktionsvorsitzende auch namentlich nannte. Einer dieser Stadträte war zur entscheidenden Sitzung nicht erschienen, der andere Stadtrat, Burkhard Wächter, stimmte ebenso wie geo-net und der SDP-Stadtrat Norbert Finster gegen die Ansiedlung.
Allerdings betonte der CSU-Fraktionsvorsitzende, dass er ein Wahlversprechen abgegeben habe, den Bürgermeister zu unterstützen, weshalb er als Wirtschaftsexperte, der inhaltlich eine andere Ausrichtung präferiere, der Ansiedlung trotzdem zustimmen würde. Diese Erklärung war zwar angenehm ehrlich, allerdings wurde dabei deutlich, dass bei der CSU Parteiräson und äußere Geschlossenheit nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert haben – selbst wenn dies bedeutet, gegen seine innere Überzeugung zu stimmen.
Ebenso wurde in der Mainpost nicht darüber berichtet, dass SPD-Stadtrat Norbert Finster die anwesenden Norma-Vertreter nach ihrer Einstellung zu Betriebsräten fragte. Hintergrund der Frage waren wohl Medienberichte, wonach Norma immer wieder die Einführung von Betriebsräten zu verhindern trachte. Die eher allgemein gehaltene Antwort des Niederlassungsleiters lautete, dass man Betriebsräten nicht im Weg stehe, allerdings müsse die Initiative von den Beschäftigten ausgehen.
Geo-net hatte vor der Sitzung einen Forderungskatalog (z.B. Arbeitsplatzgarantie, Ruhezeiten in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen) erarbeitet, da schon in den Vorgesprächen mit den anderen Fraktionen abzusehen war, dass die Ansiedlung mehrheitlich befürwortet werden würde. Diesen Antrag hatte geo-net bereits vor der Sitzung per E-Mail an alle StadtratskollegInnen versendet und in schriftlicher Form vor Beginn der Sitzung verteilt.
Mit dem Ergänzungsantrag wollten wir für die Stadt möglichst viel Mitsprache bei der Umsetzung sicherstellen und aus Gründen der Fairness Forderungen gegenüber den anwesenden Vertretern der Firma Norma bereits frühzeitig und nicht erst im späteren Verfahren der Bauleitplanung einbringen. Unser Antrag wurde als Prüfauftrag mit 12:6 Stimmen beschlossen. Anschließend brachten auch die Freien Wähler noch weitere Forderungen ein.
Darüber hinaus möchten wir klarstellen, dass es keine Pressemitteilung gab, in der sich die geo-net-Fraktion vorab gegen die Norma-Ansiedlung ausgesprochen hätte. Diese Anspielung in der Mainpost bezieht sich auf die Pressemitteilung der Grünen, in der unser geo-net Fraktionsvorsitzender zitiert wurde. Thomas Vizl wies in dieser Mitteilung auf die zu erwartenden Verkehrsprobleme hin.
Die geo-net-Stadtratsfraktion hatte sich von Beginn an für einen offenen Abwägungsprozess ausgesprochen, auch wenn man unserer Gruppierung bei diesem Projekt eine gewisse Skepsis unterstellen darf.
Unser Frakionsmitglied Guido Herbig nahm nicht an der entscheidenden Stadtratssitzung teil. Da er als Grundstückseigentümer von einer positiven Entscheidung des Stadtrats profitieren würde, beteiligte er sich weder an der Beratung noch an der Abstimmung, auch wenn dies formalrechtlich vielleicht möglich gewesen wäre. StadträtInnen – gleich aus welcher Fraktion – sind BürgerInnen von Gerolzhofen, besitzen Grundstücke oder Betriebe oder haben andere persönliche Interessen. Wir halten es für unerlässlich, dass bei der Beratung und Abstimmung eine saubere Trennung zwischen Privatinteressen und Gemeinwohl erfolgt. Genau so hat Guido Herbig in diesem Fall gehandelt. Dafür sprechen wir ihm unseren Respekt und Dank aus!
Wir hoffen sehr, dass die von uns befürchteten Folgen des durch die Ansiedlung enorm zunehmenden LKW-Verkehrs, Gerolzhofen nicht mit voller Wucht treffen werden. Im Interesse der BürgerInnen begleiten wir den weiteren Entscheidungsprozess deshalb kritisch, aber konstruktiv.
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